Radtreff – Tour 22.04.2025

23.04.2025 | Radtreff / MTB

Zuerst Nachkriegsgeschichte, dann Strohgäu

11 Genussradler, mindestens 1 Frau ist immer dabei, fuhren über den Rötenhof aufwärts zum Bad Rötenbad, INGpark und Imental zum Kehrhau.

Dort wurden Infotafeln vom ehemaligen Nachkriegs-Durchgangslager aufgestellt. Dieses über 18 Hektar große Areal umrundeten wir, bevor es durchs Strohgäu über Mötzingen nach Vollmaringen und Göttelfingen bis kurz vor Eutingen ging. Danach schwenkten wir Richtung Hochdorf und weiter auf dem Radweg zur westlichen Seite von Vollmaringen. Abwärts beim Schützenhaus nach Iselshausen und heimwärts bei inzwischen kühlerer Temperatur waren wir pünktlich um 20 Uhr mit 36 km auf dem Tacho zurück.

Das Lager im Kehrhau: Geschichte des staatlichen Durchgangslagers Unterjettingen (1946–1961)

Im Winter 1945/46 richtete der Landkreis Böblingen in der ehemaligen Munitionsniederlage im Kehrhau, einem Waldstück bei Unterjettingen, ein Durchgangslager ein. Mehr als 24.600 Heimatvertriebene und deutsche Flüchtlinge fanden in den nächsten Monaten hier Aufnahme und im Landkreis eine neue Heimat. Das „Staatliche Durchgangslager Unterjettingen“ bestand aber noch weit über die Zeit der Vertreibungen hinaus. Ab 1947 diente das Lager im Kehrhau dem Landkreis gleichzeitig als Durchgangslager für deutsche Flüchtlinge aus Dänemark und Südosteuropa wie auch für die Entlassung deutscher Kriegsgefangener und die Repatriierung ehemaliger Zwangsverschleppter. Schließlich wurde es zum Auffanglager für illegale Grenzgänger aus der sowjetischen Besatzungszone, und als die Emigration aus den kommunistischen Ländern Osteuropas einsetzte, zogen 1948 im Kehrhau tschechische und slowakische Emigranten ein. Ihnen folgten Flüchtlinge und ehemalige Displaced Persons (DPs) aus italienischen Auffanglagern. Als die Betreuung der DPs 1950 von der IRO, der Internationalen Flüchtlingsorganisation, auf die deutsche Verwaltung überging, wurde das „Staatliche Durchgangslager Unterjettingen“ geschlossen, und an seiner Stelle entstand auf dem Gelände das „Staatliche Wohnheim für heimatlose Ausländer“, das bis 1962 Bestand haben sollte. Das Buch rekonstruiert anhand der Quellen die Entstehung und Entwicklung des Lagers im Kehrhau. Nicht nur der administrative Aufbau des Lagers wird dabei detailgenau geschildert, sondern auch die Schicksale der Menschen und ihre Verstrickungen in die damaligen Zeitläufte. Wie auf der Bühne eines Theaters begegneten sich im Kehrhau auf engstem Raum Opfer des Krieges wie auch der Nachkriegsordnung, Emigranten mit konkurrierenden Ideologien und verfeindete Ethnien, unter die sich immer wieder Einzelgänger und Weltenbummler aller Art mischten. Das einst aus der Not geborene und als Provisorium eingerichtete Lager im Kehrhau wurde damit für fast zwei Jahrzehnte zu einem Abbild des in Bewegung geratenen Europas.